Alltagsgedanken #7: Menschliche Fassaden

AlltagsgedankenSeit ein paar Tagen denke ich viel über Menschen und ihre Fassaden nach. Vielleicht liegt es daran, dass mir in Los Angeles an jeder Straßenecke wunderschöne Menschen begegnen und man immer nur vermuten kann, welche Persönlichkeiten hinter den Gesichtern stecken. Ich lerne hier nahezu jeden Tag neue faszinierende Menschen kennen und bin nicht selten nach einigen Worten erstaunt, wie sehr der erste Eindruck eigentlich trügen kann. Weil man den Menschen immer nur vor den Kopf schauen kann, dort aber nicht sieht, was sich eigentlich darin versteckt hält. Wie kommt es, dass wir nur selten hinter die Masken schauen wollen? Ich habe besonders in den letzten Tagen immer wieder festgestellt, dass gerade die schön anzusehenden Menschen oft unglaublich dunkle Abgründe verbergen. Und dass diejenigen, die von der Allgemeinheit nicht als schön angesehen werden, wunderschöne Seelen haben.

Was bringt uns dazu, hinter die Fassade zu schauen und das zu entdecken, was den Menschen ausmacht? Warum sind wir so eingeschränkt in unserer Sichtweise, dass wir annehmen, schöne Menschen haben keine Probleme oder Schwierigkeiten oder Dunkelheit in ihrem Leben? Und warum sind wir nicht in der Lage, auch vermeintlich hässlichen Menschen Schönheit zuzusprechen? Wann sind wir so oberflächlich geworden, dass wir uns von Fassaden blenden oder abschrecken lassen und nicht einmal daran denken, einen Blick dahinter zu werfen?

Wer hat uns das Bild ins Hirn gepflanzt, dass schöne Menschen automatisch dumm sind, und warum sind wir so überrascht, wenn uns das Gegenteil bewiesen wird? Wenn wir tatsächlich angeregte, intelligente Konversationen mit denjenigen führen können, die hübsch anzuschauen sind? Wenn wir feststellen, dass wir den gleichen Humor teilen und es einfach angenehm ist, Zeit mit ebendiesen Menschen zu verbringen, ohne uns zu langweilen? Warum sind wir gleichzeitig eingeschüchtert und voreingenommen, wenn uns solche Leute begegnen?

Und wieso sind es trotzdem genau die Personen, die uns in einer größeren Gruppe als erstes auffallen und unser Interesse wecken? Warum „übersehen“ wir die weniger schönen Menschen, obwohl sie doch nicht weniger interessant sein sollten? Immerhin kennen wir ja die Geschichten hinter diesen Gesichtern nicht. Was also bewegt uns, aufgrund des Aussehens zu unterscheiden und bereits im Vorfeld zu entscheiden, ohne auch nur ein Wort mit jemandem gewechselt zu haben, für wessen Geschichte wir uns interessieren und mit wem wir eigentlich nicht reden wollen?

Versteht ihr, was ich meine? Könnt ihr diesen Gedankengängen folgen? Es ist irgendwie schwierig, deutlicher zu machen, was ich sagen will. Ich habe in den letzten zweieinhalb Monaten viele schöne Menschen kennen gelernt, mit denen ich zum Teil die besten, interessantesten, angeregtesten Gespräche meines Lebens geführt habe. Natürlich ist es auch hier wie bei allem anderen – man kann und sollte nicht pauschalisieren.

Man kann den Menschen immer nur vor den Kopf schauen. Was sich dahinter verbirgt, werden wir nur dann erfahren, wenn wir uns dem Unbekannten öffnen und unser Gegenüber für sich entscheidet, dass wir vertrauenswürdig genug sind, hinter die Fassade zu schauen. Vielleicht gefällt uns das, was wir dort entdecken, nicht. Vielleicht überrascht uns das, was uns offenbart wird. Vielleicht finden wir uns selbst in kleinen Teilen wieder. Und vielleicht, ganz vielleicht lernen wir uns selbst besser kennen. Durch den anderen. Durch das, was hinter der Fassade steckt. Und durch das, was er mit uns teilt.

Ja, ich habe in den zurückliegenden Wochen viele tiefschürfende und oberflächliche Gespräche geführt. Mit „schönen“ und auch mit „hässlichen“ Menschen. Und mehr als einmal haben mich meine Gesprächspartner überrascht. Und nicht nur sie – auch ich selbst konnte einige neue Facetten von mir selbst entdecken. Was Kommunikation ausmacht. Erstaunlich. Erschreckend. Und irgendwie wunderschön.

Was ist eine gute Zeit?
Was ist Schönheit?
Was ist Glück?
Vielleicht einfach alles das,
was wir anerkennen.
Anderen.
Und uns selbst.

~Lilly Lindner~


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3 Kommentare
  1. Ruby-Celtic sagt:

    Hey,

    schön, dass man an deinen Gedanken so teilhaben kann. Ich habe mich auch schon oft gefragt, wieso man sich automatisch immer einer bestimmten „Art“ Mensch annähert. Auch mir passiert das oft, dass ich mich eher den gleichen zuwende. Es ist sehr interessant, was der Kopf da eigentlich anstellt aber irgendwie auch beängstigend.

    Traurig finde ich, wenn man mal merkt wie viele Menschen eigentlich eine Maske tragen. Kaum ein Mensch gibt sich nach außen so, wie er wirklich ist. Einfach wegen der Angst falsch zu sein….traurig und erschreckend, aber eben einfach wir. :)

    Liebe Grüße,
    Ruby

    • Schattenkämpferin sagt:

      Liebe Ruby,

      bitte entschuldige, dass ich erst jetzt auf Deinen Kommentar antworte. Tatsächlich habe ich ihn sehr zeitnah nach Deinem Verfassen gelesen.

      Ja, es ist erschreckend, wie viele Menschen mit Masken umherlaufen – und wie leichtfertig wir annehmen, es wären ihre echten Gesichter. Angst ist hierfür sicherlich eine wichtige Begründung. Wir alle haben schließlich Erfahrungen gemacht, die uns geprägt haben und die wir zukünftig lieber vermeiden würden. Also verstellen wir uns, passen uns an, sind nur noch selten wir selbst.

      Ich hasse das. Und ich habe mir vorgenommen, mich nicht mehr in dieses Spielchen hinein ziehen zu lassen. Manchmal klappt es ganz gut, manchmal eher weniger. Aber wir lernen. Jeden Tag.

      Vielen Dank für Deine Worte und bis ganz bald,
      die Schattenkämpferin

    • Nora Fieling sagt:

      Ist es „nur“ die Angst, falsch zu sein? Also, dass auch, ja … Ich persönlich trage auch aus dem Grund oft meine Maske. Es ist aber auch die Angst vor Ablehnung, Verletzung, Bloßstellung … Ich muss mal drüber nachdenken gehen, wie die Welt aussähe, wenn niemand eine Maske trüge …

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