Ein goldener Herbsttag mit schwarz-grauen Schlieren

Mira-grab

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Ich bin gerne im Wald.
Aber der heutige Weg war der schwerste,
den ich jemals gehen musste.

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Rest in peace, little darling.
I’ll keep you in my heart, forever.

♥ ♥ ♥

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Es war ein wunderschöner goldener Herbsttag.
Die Sonne strahlte mit aller Kraft von einem makellosen blauen Himmel und brachte noch einmal einen Hauch des vergangenen Sommers zurück. Unter meinen Füßen knisterte mal leise, mal etwas lauter das Herbstlaubflüstern, über meinem Kopf, weit oben zwischen den vereinzelten Wolken, hinterließen nach Süden ziehende Wildgänse Abschiedsgrüße bis zum nächsten Frühling, der mit Sicherheit kommen wird, nach der Kälte, dem Eis und dem Schnee. In der Luft lag der sanfte Duft von noch leicht regennasser, frisch umgegrabener Erde, die nicht nur auf dem Boden um mich herum lag, sondern auch noch unter meinen Fingernägeln klebte.
Es war der Tag, an dem ich meiner geliebten Katze die letzte Ehre erwies, sie auf ihrem letzten Weg begleitete und mich endgültig verabschieden musste.

Vier Tage, nachdem Mira friedlich eingeschlafen war, machte ich mich zusammen mit meiner ehemaligen besten Freundin auf den Weg, um einen schönen Platz für ihre letzte Ruhestätte zu finden. Wir wurden fündig in einem wunderschönen Wald etwas außerhalb von Hamburg und das Graben eines angemessen tiefen Loches stellte uns vor eine echte Herausforderung, da wir nur eine kleine Gartenschaufel hatten. Trotzdem waren es einige stille Momente in trauter Zweisamkeit, fast ein bisschen wie früher, als wir noch gemeinsam in verschiedenen Cafés saßen, jeder für sich mit seinem Gedankentagebuch, aber eben trotzdem nicht allein. Sie hat verstanden, wie kaum jemand sonst verstehen könnte, dass ich meine Stille während des Abschieds brauchte. Wir brauchten nicht viele Worte, das Schweigen war uns genug. Und ja, auch wenn ich sie als meine ehemalige beste Freundin bezeichne, war es für mich wichtig, dass sie mich auf diesem schweren Weg begleitet hat. Ich hätte mir niemand anderen an meiner Seite gewünscht. Danke an Dich für die Zeit, den Ort und die Stille, die wir geteilt haben.

Es ist weiterhin schwer für mich. Morgens möchte ich das Haus kaum verlassen, weil ich unsägliche Angst habe, beim Heimkommen festzustellen, dass ein weiterer Seelentröster gegangen ist. Abends bleibe ich so lange wie möglich draußen, weil ich weiß, dass Zuhause eine Stimme weniger an der Tür auf mich warten wird. Lukarius, Miras ein Jahr jüngerer Sohn, bewegt sich seit Sonntagabend kaum mehr vom Telefontischchen weg, das direkt neben meiner Schlafzimmertür steht. Fast so, als würde er glauben, Mira wäre bei mir im Zimmer, und als würde er nicht begreifen, warum er nicht auch rein darf. Pauli geht mit dem Verlust etwas entspannter um, aber er scheint Lukas Nähe zu suchen, obwohl der das gar nicht mag. So viel wie in den letzten Tagen habe ich meinen hellgrauen Tiger in all den Jahren nicht fauchen hören. Und natürlich wollen beide viel kuscheln, suchen meine Nähe, merken sehr gut, dass es mir schlecht geht, und versuchen ihr Bestes, mich irgendwie aufzumuntern.

Über zehn Jahre hat Mira alles mit mir geteilt, die Freude, den Schmerz, die Erinnerungen, die ruhigen Stunden, manchmal auch die Nächte, wenn ich ihre Nähe brauchte und im Wohnzimmer übernachtet habe. Als Tari vor fast vier Jahren starb, war sie immer an meiner Seite und spendete mir warmen, schnurrenden Trost. Sie fehlt mir. Und doch konnte ich bisher noch nicht so richtig weinen, bis auf zwei kurze Attacken und mehrere Momente mit feuchten Augen fühle ich mich im Großen und Ganzen einfach nur taub. Kalt von innen heraus. Kann mich nicht einmal den Emotionen wirklich öffnen, die mich sonst immer überkommen und mitreißen, wenn ich einer bestimmten Stimme lausche und die dazugehörigen Texte höre. Wie lange wird das noch so gehen?

Ich stoße auf erstaunlich viel Verständnis. Im Büro, im Museum, im privaten Leben. Die meisten gehen momentan sehr behutsam mit mir um, dabei ist doch „nur“ meine Katze gestorben. Aber vielleicht verstehen sie wirklich, dass sie eben viel mehr als „nur ein Haustier“ war. Ist. Immer sein wird.

Meine liebste Mira, ich hoffe, es geht Dir dort im Regenbogenland der Tiere gut, dass Du Deinen Platz gefunden hast. Und ich weiß, dass Du immer noch bei mir bist. Denn wenn es regnet, höre ich Dein Schnurren, und wenn die Sonne durch die Wolken bricht, fühle ich Deine Wärme. Ich werde Dich immer vermissen und immer in meinem Herzen tragen.

Leb wohl. Irgendwann werden wir uns wiedersehen. Ich weiß es genau.
Bis dahin werde ich auf Luka und Pauli und auch auf mich Acht geben. Und Du auf Morchen und Tarabas. Sag ihnen, dass auch sie mir immer noch jeden Tag fehlen.


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