Worüber wir schweigen (Michaela Kastel)

Worüber wir schweigen (Michaela Kastel)

Klappentext:

Zwölf Jahre sind vergangen, seit Nina ihr Heimatdorf fluchtartig verlassen hat. Nun kehrt sie unerwartet zurück, und ihre Ankunft wirft das sonst so ruhige Leben in der Gegend aus der Bahn. Was treibt sie wieder an den Ort, den sie so lange gemieden hat? Das Zusammentreffen mit ihrer alten Clique weckt in allen dunkle Erinnerungen an ein Ereignis, an dem ihre Freundschaft einst zerbrach. Und über das alle bisher geschwiegen haben …


Rezension:

Nach einer schrecklichen Tragödie hat Nina ihrem Heimatdorf den Rücken gekehrt und alle Brücken zu ihrer alten Clique abgebrochen. Nun kehrt sie zwölf Jahre später zurück und möchte endlich herausfinden, was damals wirklich geschah und was bis heute totgeschwiegen wird. Bewusst sucht Nina wieder Kontakt zu Tobias und Melanie und versucht, die alte Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Dass das nicht ganz reibungslos abläuft, war ihr von Anfang an klar, doch sie kämpft unermüdlich für die Wahrheit und wünscht sich nichts weiter als ausgleichende Gerechtigkeit. Die Erinnerungen an damals sind nicht nur schön, sondern tun auch allen Beteiligten weh, und Nina ist festentschlossen, alte Wunden endlich heilen zu lassen. Und das um jeden Preis.

Wie sehr beeinflussen uns Erlebnisse aus Jugendtagen? Mit dieser Frage scheint sich Michaela Kastel ausgiebig beschäftigt zu haben, denn Worüber wir schweigen lädt den Leser ein, nicht nur dem aktuellen Geschehen zu folgen, sondern erlaubt durch Zeitsprünge auch einen Blick in die Vergangenheit. Zwar machen es diese Zeitsprünge und auch die Perspektivwechsel der einzelnen Charaktere den Einstieg ein wenig schwer, aber der von der Autorin gewohnte Sprachstil lässt den Leser schon bald in der Geschichte versinken. Nach und nach werden immer mehr Details des damaligen Dramas ersichtlich, und mit jedem Puzzleteil lichtet sich auch der konfuse Nebel, während sich Ninas Beweggründe immer mehr verdichten. Michaela Kastel haucht ihren Charakteren, sowohl im jugendlichen als auch im erwachsenen Alter, auf nachvollziehbare Art Leben ein und gestaltet sie mit authentischen, persönlichen Eigenschaften. Auf diese Weise ist die Verbundenheit zu den Charakteren schnell aufgebaut und wird mit jeder gelesenen Seite verstärkt.

Wie auch schon So dunkel der Wald bewegt sich die Autorin eher in ruhigeren Tönen und verzichtet auf das im Spannungsgenre so beliebte Gemetzel. Ganz nach ihrem Gusto wird hier erneut mit der Psyche der Charaktere und des Lesers gespielt, was einen ganz eigenen Thrill ausmacht. Wie gewohnt schafft Michaela Kastel es, die eher düstere Geschichte durch ihren poetisch anmutenden Sprachstil fast schön zu schreiben, obwohl die Hintergründe natürlich alles andere als schön sind. Atmosphärisch bewegt sich Worüber wir schweigen ähnlich wie sein Vorgänger die meiste Zeit im Verborgenen, um dann beim Finale in einem alle Fäden aufgreifenden Showdown zu enden. Es ist erstaunlich, wie lange selbst der Leser im Ungewissen bleibt und am Schluss tatsächlich noch ein letztes Mal überrascht wird.

Obwohl insgesamt sehr ruhig und unaufgeregt erzählend, entpuppt sich Worüber wir schweigen erneut als Pageturner der leiseren Töne. Eben genau so, wie man es von Michaela Kastel gewohnt ist. Wie ein Puzzle, bei dem einzelne Teile lange im Dunkeln bleiben, entwickelt auch dieser Thriller seine volle Wirkung erst in den letzten Kapiteln und verabschiedet sich mit einem großen Knall.


Fazit:

Perspektivwechsel und Zeitsprünge machen es dem Leser anfänglich etwas schwer, richtigen Zugang zu Worüber wir schweigen zu finden. Doch schnell ziehen Charaktere und Atmosphäre in ihren Bann, und Michaela Kastel beweist einmal mehr, dass es für einen guten Thriller nicht immer Gemetzel und Psychopathen braucht. Für Fans von eher ruhiger, aber tiefgehender Spannungsliteratur, die zum Nachdenken anregt.




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