Cassia & Ky 02: Die Flucht (Ally Condie)
Klappentext:
Wenn dich das System zwingt zu fliehen, kann deine Liebe überleben?
Stell dir vor, du lebst in einer Welt, in der alles in deinem Leben geregelt wird – sogar, wen du lieben musst.
Aber du liebst den Falschen: jemanden, den das System töten will.
Wie weit würdest du gehen, um sein Leben zu retten?
Würdest du für deine Liebe sterben?
Rezension:
Wenn man jemanden liebt, wenn man von jemandem geliebt wurde, wenn man schreiben gelernt hat und einen Mund zum Sprechen hat, wie kann man dann schweigen und stillhalten?
Denn schenkt man einmal seine Liebe her, ist sie weg. Man kann sie nicht mehr zurückrufen.
Ky lastet schwer auf meiner Seele, tief in meinem Herzen, seine Handflächen warm in meinen leeren Händen. Ich muss versuchen, ihn zu finden. Ihn zu lieben hat mir Flügel verliehen und meine Arbeit hat mich stark genug gemacht, mit den Schwingen zu schlagen.
(Seite 83)
Cassia tut alles, um ihren Status als Bürgerin vor den Funktionären geheim zu halten und so in eines der Arbeitslager in den Äußeren Provinzen verlegt zu werden. Ihre Hoffnung, von dort aus fliehen und sich auf die Suche nach Ky, ihrer großen – allerdings nicht vom System bestimmten – Liebe, machen zu können, stützt sich auf das Wissen, dass Ky in eines der vielen Dörf dort gebracht wurde, um gegen den Feind zu kämpfen. Als es ihr durch einen Zufall und schnelle Reaktionen tatsächlich gelingt, sich auf ein Flugschiff zu schmuggeln, dass auf den Weg in die Äußeren Provinzen gebracht wird, kann sie kaum fassen, dass ihr erstes Etappenziel so nah ist. Ihr Weg führt sie weiter durch die Canyons, wo sie schließlich tatsächlich auf Ky stößt. Doch auf das freudige Wiedersehen fallen auch so manche Schatten, denn Ky verheimlicht Cassia gleich mehrere Dinge, die für die weitere Suche nach der Erhebung – einem Zusammenschluss von Rebellen, der sich gegen das System auflehnt – wichtig sind, und auch Wichtiges aus seiner persönlichen Vergangenheit. Ky ist hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe für Cassia und der Gewissheit, dass er ihrem größten Wunsch nicht Folge leisten kann. Gibt es trotz der Schwierigkeiten und Geheimnisse eine Chance für ihre gegen alle Regeln verstoßende Liebe?
Wirklich viel passiert eigentlich nicht im zweiten Band um Cassia und Ky. Dass es bei der Autorin generell eher ruhig zugeht, durfte man in Die Auswahl bereits feststellen, doch im Gegensatz zu der enorm steigenden Spannung am Ende des Vorgängers dümpelt Die Flucht – ihrem Titel überhaupt nicht gerecht werdend – nahezu duchgängig wie ein seichtes Bächlein vor sich hin – Stromschnellen exklusive. Die ganze Geschichte baut im Grunde Cassias Weg vom Arbeitslager über einen kurzen Aufenthalt in einem Dorf durch den Canyon hin zu Ky auf, von wo aus sie dann zumindest ein Stück gemeinsam weiterreisen, bevor sie sich wieder einmal trennen müssen. Parallel dazu erzählt Ally Condie auch sehr ausführlich, wie sich Kys Weg in die Canyons entwickelt, etwas übereifrig verpackt in zahlreiche Gedanken an seine Liebste und all die Geheimnisse, die er vor ihr hat. Der Leser erfährt endlich ein bisschen mehr über Kys Vergangenheit, was ein deutlicheres Bild vom Charakter zeichnet, doch abgesehen von sehr wenigen action-beladenen Szenen ist das auch so ziemlich das Einzige, das man als „fesselnd“ bezeichnen kann. Die Autorin beweist mit ihrem Trilogie-Mittelstück erneut, dass sie eine wunderbare Erzählerin ist, doch im Gegensatz zum Auftakt fehlt die Konstanz. Es gibt nichts, woran der Leser sich festhalten kann, alles fließt leichtfüßig dahin – was ganz klar fehlt, sind Steine oder Felsbrocken, die den Lauf auf irgendeine Art zu unterbrechen, aufzulockern oder für Stromschnellen zu sorgen. Spannungsbögen sind, wenn überhaupt vorhanden, nur sehr geringfügig zu merken und lösen beim Leser kaum etwas aus. Vieles wird mit einem Schulterzucken abgetan und man blättert einfach weiter, liest Zeile für Zeile in der Hoffnung, dass auf der nächsten Seite vielleicht endlich einmal etwas passiert. Leider hat auch das Lektorat nicht ganz saubere Arbeit geleistet, immer wieder stolpert der Leser über kleine Fehler – die so gesehen nicht ins Gewicht fallen, jedoch das Missgefühl verstärken. Und am Ende bleibt der Leser in vielerlei Hinsicht enttäuscht und reichlich unbefriedigt zurück, denn die Erwartungen an Die Flucht waren nach dem finalen Up-Tempo von Die Auswahl hoch gesteckt.
Alle Hoffnung ruht nun auf den Schultern des dritten Bandes, über den noch nichts weiter bekannt ist, außer dass er aller Voraussicht nach im November 2012 in der Originalsprache veröffentlicht werden soll. Für nach Die Flucht enttäuschte Leser wird es dieses Mal sicher keine unaushaltbare Wartezeit geben, obwohl eine gewisse Ungeduld sicherlich nicht ausbleiben wird. Und das leise Bangen, ob Ally Condie es mit dem abschließenden Band schaffen wird, das Ruder nochmals herumzureißen und Cassia & Ky zu einem würdigen und verdienten Ende zu verhelfen.
Fazit:
Ziemlich viel Gewese um ziemlich viel Nichts – leider kann der zweite Band um Cassia und Ky den Leser nur geringfügig überzeugen. Fast das komplette Buch besteht aus Beschreibungen, wie die Protagonisten von einem Ort zum anderen gelangen, lediglich die Landschaftsbeschreibungen und nur wenige tiefergehende Szenen können den Leser in den Bann ziehen und zumindest zeitweilig aus der Lese-Lethargie reißen. Die Flucht bleibt deutlich hinter dem Vorgänger zurück, Spannungsbögen sind hier so rar wie Wasser in der Wüste. Leider eine Enttäuschung für die ungeduldig Wartenden.
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