Escape (Jennifer Rush)

Escape (Jennifer Rush)

Klappentext:

Du kannst nicht mehr nach Hause. Du musstest deinem Vater schwören, nie wieder zurückzukommen. Alles, woran du bisher geglaubt hast, entpuppt sich als Lüge. Du weißt weder, wer du bist, noch, wem du trauen kannst. Du weißt nur eins: Du rennst um dein Leben!

Wer sind die vier jungen Männer, die im Keller von Annas Haus gefangen gehalten werden? Tag für Tag führen Anna und ihr Vater im Auftrag der Sektion medizinische Tests mit ihnen durch. Und Nacht für Nacht schleicht sich Anna in den Keller, um sich heimlich mit Sam, dem Anführer, zu treffen. Denn in ihn ist sie verliebt. Niemand weiß, warum die vier für diese Versuche ausgewählt wurden. Am wenigsten sie selbst, denn ihre Erinnerung reicht nur exakt fünf Jahre zurück. Als sich für Sam und die anderen die Gelegenheit zur Flucht ergibt, schließt Anna sich ihnen an. Es beginnt eine atemlose Jagd quer durch die Vereinigten Staaten, immer auf der Suche nach der wahren Identität der vier Jungen. Und die einzige Spur, die sie haben, ist ein rätselhaftes Tattoo auf Sams Rücken.


Rezension:

Aus irgendeinem Grund hatte alles, was ich in Sams Gegenwart sagte oder machte, ein ganz anderes Gewicht. So als könnte seine bloße Anwesenheit meine Seele erschüttern, mich dazu bringen, dass ich fühlte. Er genoss jedes noch so kleine Detail, das ich ihm erzählte, als wäre ich seine letzte Verbindung zu der Welt da draußen. Und auf gewisse Weise war ich das sogar.
(Seite 11)

Anna hat einen festen Tagesablauf. Sie steht auf, frühstückt, nimmt ihre Vitamine in Tablettenform und geht anschließend in den Keller, wo vier junge Männer in gläsernen Zellen festgehalten und beobachtet werden. Wie lange die Jungs schon da sind, weiß Anna gar nicht, doch inzwischen verbindet sie mit ihnen so etwas wie Freundschaft. Eine Freundschaft, die sie verbotenerweise auch nachts in den Keller führt, um dort ungestörte Zeit mit Sam zu verbringen, um Schach zu spielen und zu reden. In unregelmäßigen Abständen werden Anna und ihr Vater von der Sektion besucht und müssen dann die jeweiligen Testergebnisse der letzten Wochen vorlegen und erläutern. Welchem Zweck diese Tests dienen, wurde Anna nie verraten und sie traut sich auch nicht, ihren Vater danach zu fragen – eine persönliche Beziehung gibt es zwischen ihnen nicht, alles dreht sich nur um die vier sogenannten Testobjekte.
Bei einem neuerlichen Besuch der Sektion ergibt sich die Möglichkeit zur Flucht und Annas Vater ringt ihr schwerverletzt das Versprechen ab, sich den Jungs anzuschließen und niemals zurück zu blicken, ihn nicht anzurufen und ihm nicht zu schreiben, bis er sich wieder bei ihr meldet. Schweren Herzens sucht Anna die wichtigsten Sachen zusammen, darunter das Tagebuch ihrer Mutter, an die sie sich nicht erinnern kann, und begibt sich mit den vier Jungs auf eine gefährliche Reise. Denn natürlich bleiben der Vorfall, bei dem mehrere Menschen getötet wurden, und ihre Flucht nicht unentdeckt, und schon bald müssen die fünf jungen Erwachsenen um ihr Leben rennen. Die Geheimnisse, denen sie dabei auf die Spur kommen, bringen nicht nur Annas Leben durcheinander und lassen sie an allem zweifeln, woran sie jemals geglaubt hat und sich erinnern kann.

Auf den ersten Blick würde man Escape sicher nicht in die Sparte der Jugend-Dystopien packen, denn das Cover fällt völlig aus der Reihe. Auch das Lesen des äußeren Klappentextes lässt eher auf einen Jugend-Thriller schließen, was der Wahrheit jedoch nicht allzu entfernt ist. Aber erst wenn man sich mit der auf die Innenseite der Klappe gedruckten Inhaltszusammenfassung beschäftigt, bekommt man wirklich eine Idee von dem, was man sich von diesem Reihen-Auftakt erwarten darf. An Spannung mangelt es in jedem Fall nicht, zu den Charakteren bekommt man nahezu sofort eine Bindung und auch wenn Anna so manches Mal leicht naiv erscheint, kann man sich als Leser gut in sie hinein versetzen.
Anders als bei den klassischen, derzeit sehr beliebten Jugend-Dystopien wird der Leser in Escape allerdings eher langsam und vorsichtig in die Richtung der Zukunftsvision gelenkt. Alles startet relativ harmlos in etwas langwierigen Erzählungen, nimmt jedoch auch schnell an Fahrt auf und den Leser schließlich doch gefangen. Die Flucht gestaltet Jennifer Rush derart rasant, dass die Augen nur so über die Seiten fliegen, die Charaktere zeigen nach und nach immer mehr Facetten und bieten dem Leser verschiedene Einblicke. Zwar wird alles aus der Sicht Annas erzählt, trotzdem bekommt man den Eindruck, dass sehr vielschichtig berichtet wird.

Neben den mit der Zeit aufgedeckten Schichten der Charaktere deckt die Autorin auch immer mehr Details auf – eine Tatsache, die den Lesefluss ungemein unterstützt, da der Leser hierdurch an genau den richtigen Stellen neu angefüttert und somit zum Weiterlesen gezwungen wird. Die teilweise enorm überraschenden Wendungen schaffen nicht nur eine gewisse Distanz zum Geschehen und zu den Charakteren, sondern halten den Leser auch auf Trab, sodass ein richtiges Durchatmen für ihn genauso wenig möglich ist wie für Anna und die vier Jungs.
Es gibt nur wenige ruhige Momente in Escape, doch diese sind sehr sanft gestaltet und man bekommt eine vorsichtige Sicht auf das schreiberische Potential von Jennifer Rush. Mit diesem Auftakt-Band hat sie die Möglichkeit, eine wirklich tolle Jugend-Dystopie auf den Markt zu bringen, die sich nicht in allen, aber doch in einigen Punkten von der Masse abhebt und vielleicht genau aus diesem Grund neue Leser erreichen und für das Genre begeistern kann. Hier und da fallen kleinere Schwächen auf, die jedoch in der Gesamtsumme kaum ins Gewicht fallen. Selbst die offenen Fragen am Ende scheinen genau abgestimmt zu sein und fügen sich wunderbar ins Konzept ein. Es bleibt abzuwarten, was die Autorin aus dem vorhandenen Potential noch machen kann –denn dass es weitergeht, steht außer Frage.

»Du und ich, wir sind die Summe der Leere, die das Fehlen einer geliebten Person verursacht hat.«
(Seite 95)


Fazit:

Escape ist ein annehmbarer Auftakt einer weiteren Jugend-Dystopie-Reihe, die sich allerdings in ihrer Art ein wenig von ihren Genre-Schwestern abheben kann. Jennifer Rush verbindet interessante Charaktere, überraschende Wendungen und – natürlich – eine zarte Liebesgeschichte und macht durch offen bleibende Fragen neugierig auf die Fortsetzung. Für Fans von Jugend-Dystopien eine nette Leseempfehlung.



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