Mein Herz und andere schwarze Löcher (Jasmine Warga)

Mein Herz und andere schwarze Löcher (Jasmine Warga)

Klappentext:

Wenn dein Herz sich anfühlt wie ein gähnendes schwarzes Loch, das alles verschlingt, welchen Sinn macht es dann noch, jeden Morgen aufzustehen?

Aysel will nicht mehr leben – sie wartet nur noch auf den richtigen Zeitpunkt, sich für immer zu verabschieden. Als sie im Internet Roman kennenlernt, scheint er der perfekte Komplize für ihr Vorhaben zu sein. Und während die beiden ihren gemeinsamen Tod planen, spürt Aysel, wie sehr sich auf die Treffen mit Roman freut, wie hell und leicht ihr Herz sein kann. Und plötzlich ist der Gedanke, das alles könnte ein Ende haben, vollkommen unerträglich … Aysel beginnt zu kämpfen. Um ihr Leben. Um sein Leben. Und um ihre gemeinsame Liebe.

Eine Geschichte über zwei, die den Tod suchen – und die Liebe ihres Lebens finden.


Rezension:

FrozenRobot hat genau den richtigen Moment erwischt. Könnte sein, dass ich zum ersten Mal im Leben Glück habe. Das ist sicher ein Zeichen aus dem Kosmos – wenn du nur ein einziges Mal im Leben Glück hast und das ausgerechnet bei der Planung deines Selbstmords, dann ist es wirklich an der Zeit, dich zu verabschieden.
(Seite 21/22)

Seit dieser Sache mit ihrem Vater hat die Aysel das Gefühl, dass sich ihr Herz immer mehr in eine schwarze Qualle verwandelt, die jeden kleinen Lichtschimmer auf der Stelle verschluckt. Es gibt in ihrem Leben nichts mehr, woran das junge Mädchen sich wirklich erfreuen kann, und es ist auch niemand da, mit dem sie über die Dunkelheit in sich sprechen kann. Deshalb hat sie beschlossen, sich das Leben zu nehmen. Nur den richtigen Zeitpunkt für die Umsetzung ihres Plans hat sie noch nicht gefunden und eigentlich ist sie auch viel zu feige, um diesen letzten Schritt alleine zu gehen. In einem Forum findet sie Gleichgesinnte und stellt schnell fest, dass sie bei Weitem nicht alleine mit diesen Gedanken ist. Auf dieser Plattform findet sie andere Menschen, die nicht mehr leben wollen, und besser noch – Aysel entdeckt, dass sich dort tatsächlich Paarungen für den gemeinsamen Selbstmord ergeben. In einem Mitglied des Forums, FrozenRobot, scheint sie den perfekten Begleiter für ihren scheinbar unausweichlichen Weg gefunden zu haben. Doch dazu müssen sie beide den Weg aus der Anonymität finden und sich persönlich treffen. Gemeinsam planen sie ihren Tod, legen Zeitpunkt und Ort fest, treffen entsprechende Vorbereitungen und lernen sich immer besser kennen – auch die dunklen Seiten ihres Lebens, die zum letztlichen Entschluss geführt haben, verheimlichen sie einander nicht. Doch irgendwann während dieser Zeit verändert sich etwas zwischen Aysel und Roman, wie FrozenRobot im wahren Leben heißt. Und plötzlich stellt Aysel fest, dass ihr doch eine ganze Menge am Leben liegt. Nicht nur an ihrem eigenen, sondern auch an dem von Roman. Doch was wird aus ihrem Pakt, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden, wenn sie einen Weg finden könnte, die schwarze Qualle zu besiegen?

Was die meisten Leute nicht verstehen: Depressionen haben nichts mit der Umgebung, den äußeren Umständen zu tun. Es geht nur um die Innenwelt.
(Seite 59)

Depressionen sind längst kein Thema mehr, über das nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, auch wenn diese inzwischen offiziell anerkannte Krankheit weiterhin von viel zu vielen Menschen nicht ernstgenommen und oftmals als Sich-Anstellen und Überempfindlichkeit abgetan wird. Jasmine Warga wagt sich mit ihrem Debütroman daher an eine heikle Thematik heran, vor allem weil die Protagonisten im jugendlichen Alter sind. Wie oft hört man, dass gerade derart junge Menschen doch noch gar nicht genug erlebt haben können, um wirklich depressiv zu sein? Aus solcherlei Aussagen spricht eindeutige Unwissenheit und mit dieser kann die Autorin in Mein Herz und andere schwarze Löcher zumindest ein Stück weit aufräumen. Natürlich ist dieser Roman keinesfalls als Ratgeber zu verstehen, doch die Geschichte um Aysel und Roman und ihren gemeinsamen Plan, sich das Leben zu nehmen, ist so authentisch, dass die beiden Charaktere dem Leser sofort ans Herz gehen und man sehr schnell merkt, dass es sich hierbei um ganz besondere Persönlichkeiten handelt – trotz oder gerade wegen ihrer Depressionen, die sich manchmal nicht in Worte fassen und erklären lassen. Sehr anschaulich werden dem Leser hier verschiedene Gesichter dieser psychischen Krankheit nahegebracht, ohne dabei zu sehr runterzuziehen. Tatsächlich kann man zwischendurch sogar auch mal lachen oder zumindest schmunzeln – denn sowohl Aysel als auch Roman sind auf eine herzerwärmende Weise intelligent und liefern sich dementsprechend gerne mal das eine oder andere Wortgefecht. Auch auf diese Art zeigt Jasmine Warga, dass Depressionen nicht zwangsläufig immer nur in Schwarz- und Grautönen zu sehen sind, sondern es durchaus auch helle oder sogar bunte Augenblicke gibt.

Kann es sein, dass die Dunkelheit den Sieg davonträgt, weil sie uns einredet, dass wir sie in uns verschließen müssen, statt sie loszulassen?
(Seite 343)

Die Story, die Mein Herz und andere schwarze Löcher erzählt, ist genauso vielseitig, wie die Covergestaltung suggeriert. Auf der einen Seite erhält der Leser eine wunderschöne Liebesgeschichte, die Regenbogenfarben vermittelt, auf der anderen Seite sind zwischen den Buchstaben aber auch die dunklen Seiten der Depression versteckt. Oder vielmehr ganz deutlich zu sehen, ähnlich wie der schwarze Schriftzug des Titels auf dem buntgepunkteten Cover. Die Mischung aus Hell und Dunkel ist Jasmine Warga sehr gut gelungen, auch wenn man beim Griff zum Buch vielleicht etwas anderes erwartet. Allerdings sollten gute Romane doch genau das liefern – ein an sich ernstes Thema in einer angenehmen Verpackung, die auch überraschen kann. Und wenn dann auch noch der Schreibstil überzeugt, kann man ohne schlechtes Gewissen beherzt zugreifen und sich in die Geschichte fallen lassen. Hier erhält der Leser ein genau solches Paket, weshalb Mein Herz und andere schwarze Löcher möglicherweise zu den empfehlenswertesten Büchern dieses Jahres gehört und genau so behandelt werden sollte.


Fazit:

Mein Herz und andere schwarze Löcher ist nicht nur eine wundervolle, mitreißende und authentische Liebesgeschichte für Jugendliche, sondern bringt dem Leser auch die Schwierigkeiten im Umgang mit Depressionen näher. Jasmine Warga legt mit ihrem Debütroman die Messlatte für folgende Bücher zu dieser Thematik ziemlich hoch, obwohl Aysels und Romans gemeinsamer Weg kaum mit irgendetwas vergleichbar ist. Berührend, tiefsinnig, intensiv – eine ganz klare Leseempfehlung für dieses Jahr!



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