Abgeschnitten (Sebastian Fitzek / Michael Tsokos)
Klappentext:
Rechtsmediziner Paul Herzfeld findet im Kopf einer monströs zugerichteten Leiche die Telefonnummer seiner Tochter. Hannah wurde verschleppt – und für Herzfeld beginnt eine perverse Schnitzeljagd. Denn der psychopathische Entführer hat eine weitere Leiche auf Helgoland mit Hinweisen präpariert.
Herzfeld hat jedoch keine Chance, an die Informationen zu kommen. Die Hochseeinsel ist durch einen Orkan vom Festland abgeschnitten, die Bevölkerung bereits evakuiert. Unter den wenigen Menschen, die geblieben sind, ist die Comiczeichnerin Linda, die den Toten am Strand gefunden hat. Verzweifelt versucht Herzfeld sie zu überreden, die Obduktion nach seinen telefonischen Anweisungen durchzuführen. Doch Linda hat noch nie ein Skalpell berührt. Geschweige denn einen Menschen seziert …
Rezension:
In Berlin ist der Rechtsmediziner Paul Herzfeld Leiter einer Spezialeinheit für extreme Verbrechen – wenn eine Leiche Anzeichen eines ungewöhnlichen Todes aufweist, ist er meist der erste, der kontaktiert wird. So auch im Fall einer weiblichen Leiche, der „jemand die Luft aus dem Kopp gelassen“ hat und die äußert professionell jeder Identifizierungsmöglichkeit entledigt wurde. Doch selbst für den erfahrenen Herzfeld wird dieser Fall eine Besonderheit, vor allem als im Schädel der Toten ein kleiner zylinderförmiger Behälter entdeckt wird – dessen Inhalt der Rechtsmediziner unterschlägt, denn auf einem Zettel steht die Telefonnummer seiner Tochter Hannah. Zu dieser hat er seit der Trennung von seiner Frau nur noch wenigen Kontakt, jetzt wurde sie verschleppt und Herzfeld beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln.
Seine ersten Bemühungen verweisen ihn eindeutig auf die Hochseeinsel Helgoland, die wegen Orkanwarnungen evakuiert und somit quasi unbewohnt ist. Nur hartgesottene Inselbewohner bilden eine Notfallbesetzung, und dann ist da noch Linda, eine junge Comiczeichnerin auf der Flucht vor ihrem stalkenden Exfreund. Für Linda kommt die Abgeschieden- und Abgeschnittenheit gerade richtig, denn sie arbeitet an einem neuen Projekt, von dem selbst ihr Verlag noch nichts weiß. Doch die jüngste Vergangenheit lässt sie auch auf der Insel nicht los. Bei einem eher unfreiwilligen Spaziergang findet sie eine männliche Leiche am Strand, in dessen Herrenhandtasche sich ein Handy befindet – Hannahs Handy.
Für Herzfeld steht fest, dass die männliche Leiche der nächste Hinweis auf den Verbleib seiner einzigen Tochter ist und der Tote sofort obduziert werden muss. Wegen des Unwetters ist jedoch sowohl ein Auf-die-Insel- als auch Von-der-Insel-runter-Kommen möglich. So bleiben Herzfeld und Linda nur eine Möglichkeit: Eine Obduktion per telefonischer Fernunterweisung. Während Linda all ihre Kräfte mobilisiert, um diese Geschichte durchzustehen, gerät Herzfeld immer tiefer in eine Geschichte, deren Ursprung viele Jahre zurück liegt …
Ein versierter Thriller-Autor, deren erste Romanverfilmung gerade in den deutschen Kinos anläuft, und ein Rechtsmediziner, der aus Sachbuch und TV bekannt ist, tun sich zusammen. Klingt erstmal nicht so ungewöhnlich und kann eigentlich nur eins bedeuten: Noch mehr Spannung, noch mehr Detailtreue, noch mehr von allem, was man von einem richtig guten Thriller erwarten würde. Sebastian Fitzek und Michael Tsokos sind bereits als einzeln Agierende überaus erfolgreich in dem, was sie tun, sodass die Erwartungen der Leser an ein Gemeinschaftsprojekt entsprechend hochgesteckt sein dürften. Zu hoch? Wird man die Mischung aus Roman und Sachbuch deutlich erkennen? Leser sind nicht nur unheimlich gespannt, sondern auch neugierig, wie die Umsetzung dieses Romans wohl gestaltet ist. Und ja, man merkt dem Roman deutlich an, dass hier gleich zwei Profis am Werk waren – denn Abgeschnitten überzeugt von der ersten Seite an. Mag der Prolog auf Grund der nicht so recht passen wollenden Charaktere zuerst noch verwundern, haben Fitzek und Tsokos den Leser im Anschluss sehr schnell, allerspätestens aber zu Beginn von Kapitel 4 in der Tasche. Nicht nur mit Thrill, sondern auch mit einer angemessenen Portion Humor schafft das Autorenduo es mit Leichtigkeit, den Leser wunderbar zu unterhalten. Wie es sich gehört, überwiegen natürlich die spannenden Szenen, doch der aufmerksame Leser wird an so mancher Stelle auch ein kleines Schmunzeln nicht unterdrücken können. Vor allem Herzfeld hat eine – manchmal etwas fehl am Platz wirkende – erfrischende Art, schon mit seiner Kennenlernszene gewinnt er das Herz des Lesers recht schnell für sich.
Obwohl die Hauptpersonen eindeutig Linda und Herzfeld sind, finden auch zahlreiche andere Charaktere ihren verdienten Platz und Spielraum, auch wenn bei einigen durchaus Zweifel an ihrer Rolle und Wichtigkeit kommen. Das macht Abgeschnitten zu einem rasanten Zusammenspiel, das zwischenzeitlich ein paar Mal Stirnrunzeln hervorruft und auch nach dem Lesen fragt man sich, welchen Zweck die eine oder andere Szene eigentlich haben sollte. Besonders der Perspektivenwechsel – Berlin, Helgoland und ein Ort, der schlicht und völlig zu Recht „In der Hölle.“ genannt wird – sorgt für ein kaum zu bremsendes Lesetempo, sodass man als Leser irgendwann vielleicht einen Blick auf die Uhr wirft und sich fragt, wo die Zeit schon wieder hin ist. Der Verlag sollte sich künftig bei einer Zusammenarbeit von Sebastian Fitzek und Michael Tsokos in diesem Stil überlegen, ob nicht ein großer Warnhinweis auf dem Cover angebracht wäre – durchlesene Nächte dürften hier keine Seltenheit darstellen. Auch während der Geschichte lose Fäden finden am Ende sinnvoll zueinander, auch wenn man nicht abstreiten kann, dass es vielleicht ein Quäntchen zu viel des guten Zufalls gab. Nichtsdestotrotz bleibt dem Leser nach Beendigung des Buches nicht viel mehr übrig, als selbiges mit Bedacht und einem respektvollen, anerkennenden Nicken zu schließen und sich zu fragen, wie lange man wohl auf den nächsten Thriller in einer solchen Qualität warten muss.
Also ja, man merkt den Unterschied, man erkennt ganz deutlich, dass hier zwei Personen am Werk waren. Jede für sich ein Talent, gemeinsam nahezu unschlagbar. Nicht nur Spannung wird hier geboten, die Autoren weisen ganz bewusst auch auf Schwachstellen im deutschen Rechtssystem hin. Ein besonderes Highlight ist die Gestaltung der Danksagung, bei der sich Fitzek erfahrungsgemäß immer besondere Mühe gibt. Eventuell doch auffallende Kleinigkeiten geraten schnell wieder in Vergessenheit und am Ende möchte man ausspringen, den Autoren lautstark Beifall klatschen und um vielfache Zugabe bitten. Eben dies bleibt wohl auch ein wichtiger Nachhall: Die Hoffnung auf baldigen Nachschub!
Fazit:
Die Zusammenarbeit mit Michael Tsokos schafft es tatsächlich, den bisherigen ohnehin nervenaufreibenden Thrillern von Sebastian Fitzek noch eine ganze Ladung Spannung oben drauf zu packen: Abgeschnitten ist ein rasanter Pageturner, der problemlos Nächte durchlesen lässt und dem Leser selbst bei Tageslicht seine Düsterkeit aufzudrücken vermag. Dieses Duo darf sehr gerne, nein, muss unbedingt mehr Bücher zusammen schreiben – eine ganz klare Leseempfehlung!
Interview mit Sebastian Fitzek (11.02.2010)
Fitzek, Sebastian: Amokspiel
Fitzek, Sebastian: Das Kind
Fitzek, Sebastian: Der Augenjäger
Fitzek, Sebastian: Der Augensammler
Fitzek, Sebastian: Der Seelenbrecher
Fitzek, Sebastian: Die Therapie
Fitzek, Sebastian u.a.: P.S. Ich töte dich
Fitzek, Sebastian: Splitter
Zurück zu:
Wachkoma (Jasmin P. Meranius) Weiter mit:
Aufgeputscht und abgefahren (Liz Hoppe)