Dohlenwinter (Anders Björkelid)

Dohlenwinter (Anders Björkelid)

Klappentext:

Solange die Dohlen laut sind, ist alles gut. Erst wenn sie schweigend fliegen, wird es gefährlich, denn dann ist der Unwinter über uns gekommen.

Die Zwillinge Wulf und Sunia führen mit ihrem Vater ein abgeschiedenes Leben auf dem Land. Sie spüren, dass sie anders sind als die Menschen im Dorf – keiner von ihnen sieht ihnen mit ihrem schwarzen Haar und der hellen Haut ähnlich. Auch verbindet die Zwillinge seit ihrer Geburt viel mehr als nur das Blutsband: sie verstehen sich wortlos und nicht einmal die größte Entfernung vermag sie voneinander zu trennen. Doch als eines Abends ein Fremder ihren Vater besucht, gerät ihre heile Welt plötzlich ins Wanken und die beiden verlieren alles Vertraute um sich herum – sogar einander. Die kommende Kälte ist viel mehr als nur ein harter Winter – sie will in dein Herz.


Rezension:

Gemeinsam mit ihrem Vater führen die Zwillinge Wulf und Sunia ein ziemlich abgeschiedenes Leben auf ihrem Hof. Kontakte zur Außenwelt bestehen kaum, auch nicht zu den Dorfbewohnern, von denen sie sich stark unterscheiden. Allerdings macht das den Geschwistern nicht viel aus, denn sie haben einander und kennen es nicht anders. Von Geburt an sind die Zwillinge durch ein besonderes Band verbunden – ohne Worte zu nutzen, wissen sie immer, was der jeweils andere denkt. Entfernung spielt dabei keine Rolle, in ihren Köpfen können sie jederzeit fühlen, was im anderen vorgeht. Ihr Vater bringt ihnen viel über Landwirtschaft, den Wald und die Berge bei, um sich auf die Zeit vorzubereiten, in der sie den Hof selbst unterhalten werden müssen. Doch keiner der drei hätte geahnt, dass dieser Tag so frühzeitig kommen würde – eines Abends besucht ein Fremder die kleine Familie und bringt damit die heile Welt auf dem Hof gehörig durcheinander. Von einem Moment auf den anderen verlieren die Zwillinge alles, was ihnen ihr Leben lang vertraut war, und befinden sich ungewollt auf einer Reise, deren Ziel bis auf weiteres unbekannt zu sein scheint.

In den letzten Jahren war und ist das Fantasy-Genre ziemlich überlaufen, sodass es schwierig ist, hier etwas Neues zu schaffen, das die Leser in den Bann ziehen kann. Mit Dohlenwinter kommt frischer Wind direkt aus Skandinavien und bringt nicht nur eine eisige Atmosphäre mit sich, sondern auch bezaubernde Charaktere und eine sehr ungewöhnliche Sprache. Anders Björkelid überzeugt mit einer Geschichte über ein Zwillingspaar, das eine besondere Verbindung hat, und einen kalten Winter, der den Leser mit zahlreichen mystischen Komponenten auf seine Seite zieht. Obwohl es anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig ist, sich in den besonderen Sprachstil einzulesen, ist man von der ersten Seite an mitten im Geschehen – der Autor hält sich nicht lange mit Vorgeplänkel auf, sondern wirft die Geschwister und auch den Leser sehr schnell mitten in die Story. Bei etwas mehr als 300 Seiten ist dies auch sinnvoll, trotzdem hat man zu keiner Zeit den Eindruck, dass etwas zu schnell geht oder zu wenig erklärt wird. Nach und nach lernt man die Charaktere kennen, ohne dass es gezwungen wirkt, und auch die Geschichte selbst kann einen schnell fesseln. Erfrischenderweise bedient sich Anders Björkelid nur sehr geringfügig den klassischen Fantasy-Elementen und bewegt sich stattdessen immer sehr nah an der Grenze zur Wirklichkeit. Das Gesamtpaket ist also in sich sehr stimmig und kann den übersättigten Leser mit neuen Ideen wieder für das Fantasy-Genre begeistern.

Besonders die sprachliche Gestaltung dürfte den Liebhabern des Wortes so manches Lächeln entlocken. Auf sehr spezielle Weise versteht Anders Björkelid, die mentale Verbindung zwischen den Zwillingen darzustellen. Dadurch wird auch der Bruch ebendieser Verbindung, der im Laufe der Geschichte zwangsläufig erfolgt, sehr intensiv und deutlich, denn anschließend verändert sich die Sprache wesentlich, was im ersten Moment etwas verwirrend, aber schnell nachvollziehbar ist. Auch den Charakteren merkt man diese Veränderung recht schnell an, nicht nur weil man an ihren Gedanken teilhaben kann, sondern auch in ihren Handlungen. Auf diese Weise wird es für den Leser zu keinem Zeitpunkt langweilig, der Spannungsbogen bleibt über den kompletten Handlungsstrang hinweg erhalten und wird durch einige Höhen noch zusätzlich unterstützt. Und obwohl die Zwillinge entsprechend der Zielgruppe im jugendlichen Alter sind, hat man auch als erwachsener Leser manchmal das Gefühl, sich genau in das Geschwisterpaar hinein versetzen zu können. Und das macht das Lesevergnügen noch einmal eine ganze Spur intensiver. So freut man sich nach der letzten Seite auf die weiteren Abenteuer von Sunia und Wulf, mit der sicheren Gewissheit, dass auch die Folgebände eine kleine Besonderheit sein werden.


Fazit:

Dohlenwinter hebt die Messlatte für Jugend-Fantasy auf ein ganz neues Level. Nicht nur die fesselnde Geschichte und die lebendigen Charaktere machen den Auftakt zu einer Besonderheit, Anders Björkelid kann vor allem durch seinen ungewöhnlichen Sprachstil überzeugen. Zwar muss man sich in diesen erst reinfinden, doch wenn man erstmal angekommen ist, kann man die skandinavische Atmosphäre mit all ihren mystischen Schönheiten vollauf genießen. Ein grandioser erster Band, der mit Spannung auf die Fortsetzung des Abenteuers warten lässt.



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