Zertrennlich (Saskia Sarginson)
Klappentext:
Eine bewegende und fesselnde Reise zu den dunklen Geheimnissen einer Kindheit, die aus einem unzertrennlichen Ganzen zwei Schwestern machte, die einander wie Fremde erscheinen.
Ein flirrender Sommer an Englands Ostküste. Die Zwillingsschwestern Viola und Isolte sind durch duftende Kiefernwälder gestreift, haben auf nebelüberfluteten Lichtungen längst vergessene Sagengestalten beschworen und den scharfen, salzigen Wind des Meeres geatmet. Doch nun, fünfzehn Jahre später, scheinen die beiden nichts mehr gemein zu haben. Während Isolte sich mit verzweifelter Lebensfreude der Welt entgegenwirft, hungert Viola sich in den sicheren Tod. Während eine der Schwestern sich verbissen an ihre Ziele und Pläne klammert, wünscht die andere nichts sehnlicher, als sich aufzulösen und ihrer Vergangenheit zu entkommen.
Welcher unaussprechliche Schrecken ist geschehen in jenem Sommer, als alles möglich schien und der das Erwachsenwerden zweier Zwillingsschwestern so unerbittlich bestimmt?
Rezension:
Es gibt so viel zu erzählen, aber ich bekomme einfach keine Ordnung in meine Worte. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.
(Viola, Seite 155)
Isolte und Viola könnten unterschiedlicher nicht sein – dabei sind die Zwillinge unter den gleichen Bedingungen aufgewachsen. Sie lebten mit ihrer Mutter erst in einer Hippie-Kommune und später als Selbstversorger am Rande einer kleinen Stadt. Ihren Vater lernten sie nie kennen, doch das war kein Problem für das Zwillingspaar. Sie kannten es schließlich nicht anders. Durch die Abgeschiedenheit und ihre sonderbaren Anwandlungen waren die beiden Mädchen immer Außenseiter und fanden keinen Anschluss an andere Kinder. Doch auch das war nichts, womit sie nicht umgehen konnten, schließlich hatten sie einander und das war mehr als genug. Außerdem freundeten sie sich irgendwann mit zwei Jungen aus der Umgebung an, ebenfalls Zwillinge, ebenfalls aus schwierigen Familienverhältnissen. Und als ihre Mutter schließlich einen guten Mann fand, der eine kleine Tochter hat, die Isolte und Viola zwar nicht unbedingt gut leiden, aber irgendwie doch akzeptieren können, schien sich alles zum Guten zu wenden. Doch dann passiert ein furchtbares Unglück und die Welt der Zwillinge bricht schlagartig auseinander. Beide Schwestern werden von Schuldgefühlen zerfressen, doch sie gehen ganz unterschiedlich damit um. Während Isolte sich in ihr Berufsleben stürzt und Karriere zu machen versucht, isoliert sich Viola mit jedem Tag mehr von ihrer Umwelt und rutscht immer weiter in die Magersucht hinab. Was ist damals geschehen, das eine so unterschiedliche Entwicklung nach sich zog und die eigentlich unzertrennlichen Zwillinge derartig auseinanderbrach?
Obwohl vom Verlag als Thriller angepriesen, ist Zertrennlich viel mehr als das – ein wenig belletristisch, ein wenig poetisch und mit einer gehörigen Portion Drama ausgestattet erfüllt dieses Debüt so ziemlich alle Wünsche der Unterhaltungsliteratur abseits von Liebesromanen. Dass es bei Spannungsromanen nicht immer blutig zugehen muss, wird hier ebenfalls unter Beweis gestellt, denn Saskia Sarginson versteht es sehr gut, nahezu durch die komplette Geschichte einen gleichbleibenden Spannungsbogen zu halten, ohne diesen jemals zu überspannen. Die wenigen Atempausen, die sie den Schwestern und damit auch dem Leser bietet, nutzt sie, um mit einer kaum vergleichbaren poetischen Sprache verschiedene Bilder zu zeichnen. Vor allem in den Kapiteln, welche von Viola erzählt werden, findet der Leser oftmals wunderschöne, berührende Textstellen, die noch lange nachhallen. Darüber hinaus schafft die Autorin, aus zwei verschiedenen Sichten zu erzählen und diese Sichten nochmals in jeweils zwei Zeitzonen aufzuteilen – ohne sich dabei zu verstricken oder den Leser zu verwirren. Sicherlich ist das eine oder andere beim ersten Lesen etwas unklar, aber vieles entwirrt sich auf den zweiten Blick oder spätestens im weiteren Verlauf der Geschichte.
Saskia Sarginson hat mit Zertrennlich eine wunderbare Mischung aus Spannung, Poesie und Belletristik geschaffen. Ein wenig Liebe, sehr viel Drama und eine angemessene Schaufel voll Nachdenklichkeit runden das Gesamtbild ab und machen dieses Debüt zu einem echten Lesehighlight, das sicherlich öfter aus dem Regal genommen werden wird und mit jedem neuen Lesen neue Blickwinkel auf die Charaktere und die Geschichte eröffnet. Obwohl die Handlung selbst nicht so viel hergibt, schaffen die Tiefe der beiden Protagonistinnen und das Gesamtpaket ein Gefühl des Aufgehobenseins. Wer zu diesem Buch greift, der kann sicher sein, keine Zeit zu verschwenden. Eine Empfehlung für Leser, die gerne etwas tiefer in eine Geschichte eintauchen und sich von dieser auch nach der letzten Seite noch mitreißen lassen möchten.
Fazit:
Ein poetisch anmutendes Drama, das sich behutsam mit vielen schweren Themen auseinander setzt – erste Liebe, enge Freundschaft, Verlust, Selbstmord, Schuld, Magersucht. Aus zwei Perspektiven erzählt Saskia Sarginson zum Teil in Rückblicken, zum Teil in der Gegenwart die Geschichte eines Zwillingspaares, das sich auf Grund von schlimmen Erfahrungen in verschiedene Richtungen entwickelt und trotzdem füreinander da sein will. Zertrennlich ist sicher keine leichte Lektüre, aber eine, die nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich noch lange im Leser nachhallen wird.
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eine Kommentar
Hallo du,
ich fand das Buch auch ziemlich beeindruckend. Teilweise war man mitgerissen von dem Kindheitsflair und dann von diesem furchtbar bedrückenden Jetzt.
Das Buch ist nicht nur durch das tolle Cover ein echtes Must Have, finde ich.
Liebe Grüße,
Sandra