Zerschunden (Michael Tsokos / Andreas Gößling)

Zerschunden (Michael Tsokos / Andreas Gößling)

Klappentext:

Ein Serienkiller, der europaweit in der Nähe von Flughäfen zuschlägt. Er ist schnell, er ist unberechenbar, und er ist nicht zu fassen. Seine Opfer: Alleinstehende Frauen, auf deren Körper er seine ganz persönliche Signatur hinterlässt. Ein Fall für Rechtsmediziner Fred Abel vom Bundeskriminalamt, der plötzlich tiefer in den Fall involviert ist, als er möchte. Denn der Hauptverdächtige ist ein alter Freund, dessen kleine Tochter im Sterben liegt.

Der Auftakt zu einer hochspannenden Serie, die auf authentischen Fällen und echten Ermittlungen basiert – von Deutschlands bekanntestem Rechtsmediziner.


Rezension:

Es heißt ja immer, Fliegen sei die sicherste Art der Fortbewegung. Dieser Aussage macht nun ein Serienkiller einen fetten Strich durch die Rechnung, denn in ganz Europa werden alleinstehende Frauen ermordet. Immer in Flughafennähe und zeitlich so punktgenau abgestimmt, dass er beim Fund der jeweiligen Leiche schon längst wieder im Flugzeug sitzt und auf dem Weg zu seinem nächsten Opfer ist. Als Fred Abel bezüglich dieses Falls angerufen wird, passiert das jedoch nicht aufgrund seiner Stellung als Rechtsmediziner bei der BKA-Einheit „Extremdelikte“, sondern kommt aus dem privaten Umfeld. Denn es wurde ein Verdächtiger festgenommen, den Abel sehr gut kennt – schließlich haben Lars Moewig und er viel zusammen erlebt. Abel wird um Hilfe gebeten, denn Moewigs kleine Tochter liegt im Sterben und soll auf Wunsch der Mutter von ihrem Vater Abschied nehmen können – was schlecht geht, wenn dieser in Untersuchungshaft sitzt. Um seinem alten Freund zu helfen, muss Abel gegen die Zeit kämpfen. Und gegen einen Serienmörder, der ihm immer mindestens zwei Schritte voraus zu sein scheint.

Michael Tsokos ist bei Weitem kein unbeschriebenes Blatt mehr im Thriller-Genre. Neben zahlreichen Büchern über seine Arbeit als Rechtsmediziner war sein Debüt Abgeschnitten, welches er zusammen mit Sebastian Fitzek geschrieben hat, ein voller Erfolg. Nun wagt Tsokos den nächsten Schritt, hat sich Andreas Gößling ins Boot geholt und liefert mit Zerschunden den Auftakt zu einer Reihe um den Berufskollegen Fred Abel. Der jedoch in seiner Charakterdarstellung noch weit mehr ist als einfach nur ein Rechtsmediziner des BKA. Denn neben dieser Stellung könnte er, wenn man denn der Romanfigur glauben möchte, auch als Ermittler, Kommissar und Profiler arbeiten – alles in einer Person, der perfekte Mitarbeiter für jedes Polizeirevier. Leider hat Tsokos an dieser Stelle die künstlerische Freiheit jedoch ein wenig zu sehr spielen lassen, denn Fred Abel ist ein Alleskönner ohne Fehler, der zudem einen Scheiß auf seine beruflichen und privaten Pflichten gibt und einfach mal eben ohne offiziellen Auftrag, dafür aber mit scheinbar unversiegbarer Geldquelle quer durch Europa jettet. Natürlich muss man ihm zugutehalten, dass er alles für einen alten Freund tut, und doch bleibt beim Leser das Gefühl, dass Abel andere Polizisten vollkommen überflüssig macht. Dies wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass sämtliche anderen Charaktere, die Abel auf seiner Jagd nach dem wahren Killer um Hilfe bittet, nur leicht angerissen werden, aber keine wirkliche Substanz haben. Selbst Lars Moewig, der ja eigentlich eine entscheidende Rolle in der ganzen Geschichte spielt, wird nur zu Beginn des Buches genauer beleuchtet. Ansonsten bleibt Abel immer im Fokus und scheint genauestens darauf zu achten, dass ihm auch gar niemand in die Quere kommt.

Zum Glück bekommt der wahre Serienkiller seine eigenen Kapitel, sodass er nicht im Schatten Abels untergeht. Durch zwei verschiedene Erzählstränge bekommt der Leser nicht nur viel von Abel geboten, sondern erhält auch Einblick in die Gedankengänge des Gejagten. Da diesem Gejagten und seinen Opfern wahre Begebenheiten zugrunde liegen, schafft Tsokos es durch gute Recherche, den Leser vollends ins Geschehen zu ziehen – auch wenn es manchmal etwas unappetitlich wird. Denn der Serienmörder nimmt in seinen Kapiteln kein Wort vor den Mund und springt mit seinen Opfern auch entsprechend um. Dadurch wird die ganze Darstellung recht plastisch und tatsächlich authentisch, sofern man das denn als Leser sagen kann. Ebenfalls sehr anschaulich sind allerdings auch die Passagen, in denen Fred Abel unterschwellig Informationen über sein Berufsleben einbaut. Hier wird sehr deutlich, dass Michael Tsokos in seinem Berufsstand nicht ohne Grund gefragt ist, denn selbst für Laien sind derartige Momentaufnahmen interessant und nachvollziehbar zu lesen. Leider verstrickt sich das Autorenduo allerdings über einige Strecken in ausschweifenden Beschreibungen und bindet fast schon zu viele reale Fälle in Zerschunden ein, sodass der Thriller zwar durchaus lesenswert, teilweise aber auch einfach zu überladen und damit etwas zäh ist.

Im Gesamtbild kann man wohl sagen, dass der Auftakt um die Fred-Abel-Reihe mit viel Potential startet, Michael Tsokos und Andreas Gößling es in der Umsetzung aber ein wenig zu gut gemeint haben. Beim nächsten Fall darf es gerne etwas weniger, dafür aber ausgegorener sein. Mehr Augenmerk auf die anderen Charaktere und weniger durcheinandergewürfelte reale Fälle dürften Zersetzt gut tun und dem Leser weitaus mehr Lesevergnügen bereiten. In jedem Fall ist man gespannt, wie sich Fred Abel weiterentwickelt, in jeder Hinsicht, und was sich die Autoren für die folgenden Fälle überlegt haben.


Fazit:

Michael Tsokos wagt den nächsten Schritt in die Romanecke. Nach einigen Erfahrungsberichten und dem gemeinsamen Thriller mit Sebastian Fitzek hat er sich für die Reihe um den Rechtsmediziner Fred Abel mit Andreas Gößling zusammengetan. Der Auftakt Zerschunden liefert eine an sich gute Story, lässt aber in Sachen Charakteristik und durchgehender Umsetzung viel Luft nach oben offen. Diverse Wiederholungen und Längen schmälern das Lesevergnügen des Öfteren und machen es dem Leser schwer, sich wirklich auf die folgenden Fälle zu freuen. Das vorhandene Potential sollte in den kommenden Büchern deutlich besser genutzt werden.



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